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Arbeitgeber und Betroffene fordern Neubesetzung der Enquete Kommission zur Aufarbeitung der Corona Pandemie

Arbeitgeber und Betroffene fordern Neubesetzung der Enquete Kommission zur Aufarbeitung der Corona Pandemie


Zusammensetzung der Enquete-Kommission zeigt Geringschätzung gegenüber der Pflege. 

Im Juli hat der Bundestag die Einsetzung einer Enquete-Kommission beschlossen, in der die Corona-Pandemie aufgearbeitet und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse gezogen werden sollen. Inzwischen stehen die 14 Bundestagsabgeordneten und 14 Expert:innen fest, die sich dieser Aufgabe stellen sollen.1 Für wir pflegen NRW, die Ruhrgebietskonferenz-Pflege und das Netzwerk „ZukunftPflege NRW“ ist die Zusammensetzung der Enquete-Kommission ein weiterer Beleg für die Geringschätzung der Pflege in Politik und Wissenschaft. „Es ist unerträglich, dass in dieser Kommission niemand vertreten ist, der die Erfahrungen und Belange der Langzeitpflege in die Aufarbeitung der Corona Pandemie einbringen kann. Pflegeeinrichtungen waren Epizentren der Pandemie – sowohl in der stationären Altenpflege als auch in der ambulanten Versorgung“, bezieht Ulrich Christofczik, Geschäftsführer der Evangelischen Dienste Duisburg, als Sprecher der Arbeitgeber aus der Pflege Stellung.

Historisch (2020–2021) entfielen rund 20–22 % aller COVID-Todesfälle direkt auf Pflegeheime. In den ersten beiden Wellen lag dieser Anteil zeitweise bei über 50 %. Die Folgen von Schutzmaßnahmen wie Besuchsverboten, Isolierungen und Personalausfällen wirkten sich bis 2023 massiv auf Bewohner*innen und ihre Familien aus.

In der stationären Langzeitpflege arbeiteten 2022 rund 625.000 Beschäftigte – sie hielten die Versorgung trotz extrem hoher Belastungen aufrecht. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht 2022 führte zu über 100.000 Meldungen ungeimpfter Mitarbeitender. Tatsächlich ausgesprochen wurden zwar „nur“ rund 1.277 Tätigkeitsverbote, doch die Unsicherheit und Verwaltungsbelastung waren für Einrichtungen erheblich. Politische Maßnahmen und ständig wechselnde Vorgaben der Aufsichtsbehörden griffen direkt in den Betrieb ein – oft ohne Rücksicht auf Realitäten in den Einrichtungen. Viele dieser Maßnahmen hatten erhebliche soziale und psychische Nebenwirkungen (z. B. Vereinsamung durch Besuchsverbote, Einschränkung der Selbstbestimmung). Rund 300.000 Menschen mussten ohne Beistand ihrer Angehörigen sterben. Nur Vertreter*innen aus der Pflege können authentisch schildern, wie sich die Maßnahmen auf das tägliche Leben der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ausgewirkt haben.

Betroffene waren auf sich allein gestellt

Die häusliche Pflege war vor allem durch erhebliche Einschränkungen und wegbrechende Unterstützung bestimmt. Ambulante Pflegedienste durften zeitweise nur noch alleinlebende Pflegebedürftige versorgen. Tagespflegen wurden geschlossen. Medizinische Versorgung wurde auf ein Minimum beschränkt. Die Angehörigen versuchten, diese Lücken so gut es ging zu stopfen - weit über ihre eigene Belastungsfähigkeit hinaus.

Zentrale Brennpunkte ausgeblendet

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sowie die Pflegekräfte vor Ort trugen die Hauptlast der Pandemie. Eine Aufarbeitung ohne Pflege bedeutet, zentrale Brennpunkte der Pandemie auszublenden. Die Enquete-Kommission soll Lehren für künftige Krisen ziehen. Dazu gehören zwingend:

  • Praxisnahe Schutzkonzepte, die umsetzbar sind und Personal nicht überlasten,
  • eine ethische und politische Diskussion über den Ausgleich zwischen Infektionsschutz und Lebensqualität (Teilhabe, Würde, Angehörigenkontakte),
  • die Sicherung der Versorgungs- und Arbeitsbedingungen auch in längeren Krisenzeiten.

Legitimation der Enquete-Kommission in Frage gestellt

Pandemie-Management ist nicht nur eine medizinische, sondern eine interprofessionelle Aufgabe. Ohne die Perspektive der Pflege bleibt die Kommission ärztlich und politisch dominiert, was zu blinden Flecken führt. Die „Ruhrgebietskonferenz-Pflege“ und „wir pflegen NRW“ fordern daher mit Nachdruck:
Die Langzeitpflege – stationär wie ambulant – muss in der Enquete-Kommission vertreten sein. Genauso müssen die pflegenden Angehörigen und Betroffenenvertretungen in die Arbeit der Enquete-Kommission einbezogen werden Alles andere hieße, die am stärksten betroffenen Gruppen von der Aufarbeitung auszuschließen. Das würde nicht nur die Legitimität der Kommission schwächen, sondern auch die Chance verspielen, echte Lehren aus der Corona-Pandemie zu ziehen. Die Arbeitgeber der Pflege und Betroffenenorganisationen jedenfalls stehen bereit, ihre Erfahrungen einzubringen.

1 Unter den 14 Sachverständigen der Enquete-Kommission, die im Proporz von den im Bundestag vertretenen Parteien benannt wurden, findet sich niemand mit Pflegehintergrund. Sie stammen überwiegend aus Behörden und der Wissenschaft. Die komplette Liste der Mitglieder der Enquete-Kommission ist auf der Website des Bundestags nachzulesen.

Quellen:
- Statistisches Bundesamt
- Preuß et al., Thieme (COVID-Todesfälle bei Pflegebedürftigen, 2023)
- Benedikt Preuß, Rolf Müller, Heinz Rothgang (Entwicklung der COVID-19 Sterblichkeit in der Langzeitpflege im Verlauf der Pandemie in Deutschland) aus Juni 2025
- LTCCOVID / RKI-Daten (Sterbefälle in Heimen)
- Bundesministerium für Gesundheit (Beschäftigtenzahlen)
- Presseauswertungen zu Impfpflicht & Tätigkeitsverboten (2022)

Download der Stellungnahme als pdf-Datei:
Arbeitgeber und Betroffene fordern Neubesetzung der Enquete Kommission zur Aufarbeitung der Corona Pandemie